Mehrheit der Schweizer hört Radio längst digital – UKW-Abschaltung bestätigt diesen Trend
Zum Jahreswechsel hat die öffentlich-rechtliche SRG ihre UKW-Ausstrahlung in der Schweiz eingestellt. Drei Monate später liefert die Mediapulse AG nun die mit Spannung erwarteten, ersten belastbaren Zahlen zur Radionutzung im ersten Quartal 2025 – mit klarer Botschaft: Die Schweiz hört digital. Die Daten bestätigen, was bereits frühere Erhebungen im Auftrag des Bundesamts für Kommunikation (Bakom) nahelegten: Der überwiegende Teil der Radionutzung erfolgt über DAB+ oder IP.
UKW-Abschaltung: politischer Beschluss im digitalen Wandel
Die schweizerische Radiobranche hatte gemeinsam mit dem Bakom beschlossen, die UKW-Ausstrahlung spätestens bis Ende 2026 landesweit einzustellen. Die SRG vollzog diesen Schritt bereits zum 31. Dezember 2024 – beflügelt durch die fortgeschrittene Digitalisierung. Heute erfolgen über 80 Prozent aller gehörten Radiominuten über digitale Kanäle. Als vorwiegend beitragsfinanzierter Anbieter ist die SRG nicht auf Werbeeinnahmen angewiesen und konnte den Wechsel zugunsten der privaten Anbieter beschleunigen – zumal sie die analoge UKW-Verbreitung als „unverhältnismäßig teuer“ einstuft.
Hörerzahlen vorübergehend rückläufig
Wie bei technischen Umstellungen üblich, führte der Wechsel zunächst zu leichten Hörerverlusten – nachvollziehbar, da nicht alle Haushalte über digitales Empfangsequipment verfügten. Ein ähnliches Bild zeigte sich beispielsweise bei der Umstellung von SD auf HD im deutschen Fernsehen: Laut „Astra TV Monitor 2023“ nutzten damals noch etwa 2,7 Millionen Haushalte ausschließlich SD-Empfang. Im Radiobereich dauert vor allem die Umrüstung von Fahrzeugen an. Der Marktanteil der SRG-Radios sank im Vergleich zum Vorjahresquartal um sechs Prozentpunkte auf nun 53 Prozent. Trotzdem bleibt die SRG klar vor den privaten Sendern, die zusammen auf 41 Prozent kommen.
Regionale Unterschiede: Digitalradio besonders stark in der Deutschschweiz
Am geringsten waren die Verluste in der Deutschschweiz. Dort haben auch viele Privatsender ihre UKW-Ausstrahlung eingestellt, zudem ist die Konkurrenz durch ausländische Sender geringer als in der Romandie oder im Tessin. Dort sind zusätzlich viele Radiostationen aus Frankreich und Italien empfangbar – oft sogar mit Schweizer Werbefenstern.
Ein weiterer Faktor: In der Deutschschweiz wird „Schwyzerdütsch“ als Alltagssprache genutzt, und viele Radioprogramme sind im Dialekt moderiert. Das erhöht die Bindung an heimische Sender und fördert die Umstellung auf digitale Empfangswege.
Blick nach Norwegen: Ein Modell für die Schweiz?
Ein Blick nach Norwegen zeigt, wie sich der digitale Wandel im Radiobereich erfolgreich vollziehen kann – ein Modell, das auch für die Schweiz denkbar ist. Dort haben bereits Ende 2017 alle landesweiten Sender – öffentlich-rechtliche wie private – ihre UKW-Frequenzen abgeschaltet. Nach einem kurzen Einbruch pendelten sich die Hörerzahlen rasch wieder auf dem Niveau vor der Umstellung ein.
Heute besitzen 72 Prozent der norwegischen Haushalte mindestens ein DAB+ fähiges Gerät, und nahezu alle – rund 99 Prozent – haben Zugang zu digitalem Radio über DAB+ oder Internet. Der Anteil der digital gehörten nationalen Radioprogramme liegt bei beeindruckenden 97 Prozent. Lediglich drei Prozent entfallen noch auf kleine Lokalradios, die weiterhin analog senden.
Auch die Netzabdeckung überzeugt: DAB+ erreicht 99 Prozent der Bevölkerung – eine nahezu vollständige Versorgung. Und obwohl sich die Medienlandschaft seit 2010 stark verändert hat – durch soziale Netzwerke und Audio-Streaming – ist die Gesamt-Reichweite des Radios in Norwegen zwischen 2010 und 2022 nur um etwa zehn Prozent zurückgegangen.
Gleichzeitig ist das Programmangebot regelrecht explodiert: Statt fünf nationaler UKW-Programme stehen den Hörerinnen und Hörern heute 33 digitale Sender zur Verfügung. Die Betriebskosten dieser deutlich erweiterten Senderlandschaft entsprechen dabei ungefähr jenen der früheren fünf analogen Programme. Interessant ist auch: Rund 36 Prozent der Hörer nutzen heute Programme, die es zu UKW-Zeiten noch gar nicht gab – ein deutliches Zeichen für die Attraktivität und Vielfalt des digitalen Angebots.
Wirtschaftlicher Aufschwung durch digitale Vielfalt
Die digitale Transformation ermöglichte es den norwegischen Privatsendern, neue Zielgruppen zu erreichen und ihre Werbeeinnahmen deutlich zu steigern. So verdoppelte sich der operative Gewinn der privaten Radiostationen zwischen 2010 und 2021 auf über 11 Millionen Euro. Im Gegensatz dazu fielen die Gewinne der weiterhin analog sendenden Lokalradios – von rund 0,8 Millionen Euro im Jahr 2019 auf ein Minus von 0,3 Millionen Euro im Jahr 2021.
Ausbau von DAB+ in der Schweiz schafft neue Vielfalt
Auch in der Schweiz profitieren Radiohörer zunehmend von einem erweiterten Angebot. Bis Ende 2024 waren in vielen ländlichen Regionen nur SRG-Programme und vereinzelt ein Lokalsender verfügbar. Heute bietet DAB+ fast flächendeckend eine SRG Programmplattform, überregionale Angebote mit privaten und öffentlich-rechtlichen Sendern sowie regionale Plattformen – insgesamt über 50 Programme.
Ergänzt wird dieses Angebot durch lokale „DAB+ Inseln“ des Anbieters digris, über die zahlreiche kleinere kommerzielle und nicht-kommerzielle Sender senden. Der Weg in die digitale Zukunft des Radios ist damit nicht nur technisch, sondern auch inhaltlich geebnet.